Nützlingsbiotope und Wildniszonen als Elemente von Permakultur-Gärten

Aus „Permakultur beginnt im Garten – Selbstversorgung mit Gemüse“ von Marlies Ortner

Erst durch das Zusammenwirken unterschiedlicher naturnaher System-Elemente werden Gemüsebeete Teil eines harmonischen und funktionierenden Ganzen. Die Gefahr, dass unsere empfindlichen Kulturpflanzen von Epidemien hinweg gerafft oder von unerwünschten Mitbewohnern verspeist werden, wird durch die „biologischen Mitarbeiter“ hintan gehalten, die in den Nützlings-Biotopen Nahrung, Schutz, Wohnung und Brutplatz finden.
Abgesehen von der Nützlichkeit der Wildpflanzen und Wildtiere für den Gemüsebau sollen Permakultur-Gärten aber auch Orte sein, an denen Wildpflanzen und Wildtiere wegen ihres Werts an sich Asyl finden und gern gesehene Gäste sind.

Mit dem Einfügen der im Folgenden beschriebenen naturnahen Elemente schaffen wir die Voraussetzungen, dass Wildpflanzen und Wildtiere unsere Einladung annehmen können, in unserem Garten zu Gast zu sein oder zu wohnen. Je artenreicher unser „Ökosystem Garten“ wird, desto stabiler und widerstandsfähiger wird es sein. Und desto eher ist es in der Lage, sich selbst und uns trotz Klimaänderung und neu eingewanderter Pflanzen und Tiere mit Nahrung zu versorgen.

Obstgarten
Großkronige hohe Obstbäume und die dazugehörige extensiv bewirtschaftete Obstwiese sind wertvolle und artenreiche Biotope, in denen sich Singvögel, Fledermäuse, Amphibien und Insekten aufhalten, ernähren und ihre regulierende Wirkung auf das Ökosystem Garten entfalten.
Hochstamm-Obstbäume alter Sorten bieten auch Nistplätze für eine reiche Vogelwelt und sorgen ganzjährig für ihre Mitbewohner. Besonders wertvoll sind in die Jahre gekommene und teilweise abgestorbene Bäume mit ihren Astlöchern und ihrem Insektenreichtum. Sie können auch Kletterpflanzen als Rankhilfe dienen.

Trockenbiotope
Kräuterspirale, Kräuterhügel und Kräuterterrassen sind wesentliche Elemente in Selbstversorgungs-Gärten. Zahlreiche Gewürz-, Heil-, Duft- und Teekräuter fühlen sich in den nährstoffarmen und trockenen Biotopen wohl. Mit ihren duftenden Blüten erfreuen sie uns nicht nur, sondern locken auch eine Vielzahl bestäubender Insekten an, die wiederum anderen Insekten, Vögeln oder Amphibien als Nahrung dienen.
Auch andere Steinschlichtungen, in verschiedener Form und zu verschiedenen Zwecken, sind wichtige Elemente in Permakultur-Gärten, z.B. Trockenmauern und Steinhaufen. Sind doch Steine, vor allem dunkle Steine, ausgezeichnete Wärmespeicher, die gerade in kühleren Gebieten Wärme liebenden und langsam reifenden Pflanzen das Wachsen erleichtern (Kachelofen-Effekt).
Die Zwischenräume dienen Kröten, Eidechsen, aber auch Schlangen und vielen Insekten als Wohnraum, die Steine sind ihre „Heizkörper“. Diese Tiere sind unauffällige und fleißige Helfer, die zur Regulierung unbeliebter Mitbewohner beitragen.
Weitere Trockenbiotope, die Wildpflanzen und Wildtieren Lebensraum geben, sind geschotterte Wege und Plätze (Schotterrasen) sowie das Gründach: eine mit magerem Substrat ausgestattete Dachfläche, auf der die „Extremisten“ der heimischen Wildflora wohnen und eine mannigfaltige Wildbienen-, Käfer- und Schmetterlingswelt anziehen. Außerdem Schotterbeete, in denen heimische Wildblumen und Wildkräuter, die auf trockene und magere Plätze angewiesen sind, ein neues Zuhause finden. Oder der Trockenbach, ein mit Natursteinen ausgekleidetes künstlich angelegtes Bachbett, das nur nach Regenfällen Wasser führt. Die Ufer des Trockenbachs sind ebenfalls mit Trockenheit tolerierenden Wildpflanzen bepflanzt.
Feuchtbiotope
Jedenfalls gehört eine, wenn auch noch so kleine, offene Wasserfläche, am besten ein Gartenteich, in jedes Permakultur-Gartensystem. Benötigen doch alle Helfer, ob Bienen, Schmetterlinge, Vögel, Kröten oder Igel, Trinkwasser und zahlreiche Pflanzen- und Tierarten der Feuchtzonen können das Ökosystem Garten bereichern. Wo ein Gartenteich nicht möglich ist, kann ein Wassergraben oder eine Sumpfzone Ersatz bieten. Oder einige Wasserpflanzen wachsen in einem mit Wasser gefüllten Gefäß und erhalten Besuch von Libellen und Käfern.

Wildsträucher-Hecken
Vögel, Igel und die vielen nützlichen Insekten wohnen am liebsten dort, wo sie Schutz, Nahrung und Nistplätze finden: in Gebüschen, Hecken und am naturnahen Waldrand.
Eine große Vielfalt an heimischen Wildsträuchern bedeutet eine wesentliche Bereicherung des Ökosystems Garten, bietet sowohl für Menschen als auch für Wildtiere eine willkommene Ergänzung des Speisezettels und ist noch dazu in jeder Jahreszeit erfreulich anzusehen. In einem dornigen Dickicht sind brütende Singvögel vor Feinden sicher und finden ein ganzjähriges Nahrungsangebot vor.
Eine Wildsträucherhecke ist mehr als ein Zaun – ihre großartige Mehrfachfunktion besteht außerdem aus Wind- und Staubschutz, Schattenspende, Arzneimittel und Wildobst, Brenn- und Bauholz, Mulch-Materialien, Bodenbefestigung, Vogel- und Schmetterlingsnahrung, Igelwohnung, Augenweide… – jede Hecke ist eine Randzone, die eine große Vielfalt ermöglicht, die ein unglaubliches Wachstumspotenzial beinhaltet und sich zum Beobachten und Lernen an der Natur anbietet.

Baumgruppen, „Wäldchen“
Heimische Waldbäume bereichern größere Gärten auf mehrfache Weise: Sie sind Lebensraum für Vogelarten wie Käuzchen oder Spechte und andere Tierarten wie Eichhörnchen oder Wiesel. Sie spenden Ressourcen: Astholz, Arznei, Laub, Reisig, Zapfen, Bienennahrung. Sie ermöglichen vielfältige Naturerlebnisse, schenken menschliche Nahrung, bauen Humus auf und sind die erfolgreichsten Klimaschützer, Sauerstofffabriken und Luftbefeuchter, die wir kennen.
In ihrem Schutz wachsen die „Frühblüher des Laubwaldes“ und andere wertvolle Schattenstauden.

Blumenwiese
Wiesenstücke auf nährstoffarmem, lockerem Boden geben einer Vielfalt heimischer Kräuter und Blumen Lebensraum. Diese wiederum holen eine Vielfalt an Insekten in den Garten – im Gegensatz zu nährstoffreichen Wirtschaftswiesen auf verdichteten Böden, auf denen die Gräser die Kräuter und Blumen verdrängt haben; und im Gegensatz zu kurz geschorenem, artenarmem Rasen.
Blumenwiesen werden in der Fachsprache Magerrasen genannt. Sie stehen auf sonnigen bis halb sonnigen Standorten und werden 1-2 Mal im Jahr, frühestens Mitte Juli nach dem Blühen und Aussamen der Wiesenkräuter – am besten mit der Sense oder auch mit dem Motormäher – gemäht.
Der Grasschnitt wird getrocknet und als Tierfutter oder Einstreu, für den Kartoffelanbau, als Mulch oder zum Kompostieren verwendet.

Wildblumenbeet
Mehrjährige heimische Wildblumen sind „pflegeleicht“, bieten Wild- und Honigbienen und anderen Insekten reichlicher Nahrung als manche Gartenblumen und können in Bezug auf Anmut und Farbenfreude den Hochgezüchteten durchaus das Wasser reichen. Je nach Bedarf setzen wir Schwerpunkte: Bienenfutterpflanzen, Hummelpflanzen, Schmetterlingsblumen, Raupenfutterpflanzen,…

Insektenhotel
Dieser Wohnraum aus zweiter Hand dient Wildinsekten, vor allem Wildbienen, als Brutplatz. Stücke von Holzstämmen und Ästen, Hohlziegel, Stroh- und Schilfrohr-Bündel und andere Naturmaterialien werden mit Hilfe von Lehmmörtel zu einer nach Süden ausgerichteten Wand aufgemauert. In das Stirnholz werden eine Menge Löcher gebohrt, die speziell von den Wildbienen gerne als Bruthöhlen angenommen werden. Auch im Lehmmörtel nisten sich allerlei nützliche Insekten ein und die Stroheinlagen dienen Schlupfwespen und Hornissen als gutes Baumaterial. Ein Insektenhotel ist eine gute Möglichkeit zum Beobachten der meist unbekannten Insektenwelt.
Wildbienen, Hummeln und Holzbienen sind eifrige Bestäuber, die sich im Garten nützlich machen. Damit sie genügend Pollen finden, sollten wir ihnen ein Wildblumenbeet und artenreiche Kräuterbiotope anbieten.

Laub- und Totholz-Haufen; Benjes-Hecke
Nicht zu verwechseln mit der nährstoffreicheren und dichteren Kompost-Miete sind Laub- und Totholz-Haufen an halbschattigen bis schattigen Plätzen wichtige Nützlings-Biotope, die als Igel- und Krötenquartier und als Rückzugsgebiet für Käfer, Blindschleichen und Schlangen dienen.
Benjes-Hecken (benannt nach ihrem Erfinder Hermann Benjes) sind lockere Wälle aus Baum- und Astschnitt, in deren Schutz Sämlinge von Heckensträuchern und -bäumen keimen und heranwachsen können und den Wall schließlich „durchgrünen“.

Wildniszone
Wildniszonen einzurichten, ist der wichtigste Beitrag der Permakultur-GärtnerInnen für das Überleben des Lebens auf dem Planeten Erde.
Gab es früher naturnahe Kulturlandschaftsteile wie Feldraine, Waldränder, Feldgehölze, frei wachsende Hecken, naturnahe Wälder, ungedüngte und nährstoffarme Wiesen, Lesesteinmauern und -haufen, verschiedenartige naturbelassene Feuchtbiotope, Uferzonen und Auen sowie einen großen Flächenanteil an echter Naturlandschaft, so haben wir heute den größten Teil dieser Naturreste verloren – dem Profit oder dümmlichem Reinlichkeitsstreben geopfert. „Mais bis zu den Kiemen der Fische“ ist der Regelfall im Tal, ergänzt um „Fichtenstangen-Äcker“ am Hang. In den Gärten repräsentiert ein Liguster-Streifen, der ständig sauber beschnitten sein muss, die Natur – abwechselnd mit Thujen.
Hier setzt die Permakultur gezielt an. Kein Garten ist so klein, dass er nicht an einem geeigneten Platz einen natürlichen „Schutzraum“ enthalten könnte, für verdrängte Wildpflanzen, für Singvögel und allerlei andere Tiere.
Diese Bereiche nennen wir „Wildniszonen“. Auf großen Grundstücken können sie heranwachsende Waldflächen sein und in kleinen Gärten Hecken-Zonen, die verwildern dürfen und der natürlichen Vielfalt das Einwandern und Unterschlüpfen ermöglichen.
Wichtig ist, für die Wildniszone einen Grundstücksteil mit nährstoffarmem Boden auszuwählen. Nur dann kann Vielfalt entstehen. Die zukünftige Wildniszone soll außerdem an einem möglichst ruhigen Platz liegen und mindestens 15% der Gesamtfläche umfassen. Nach dem „Start“ (Geländemodellierung und Bepflanzung) soll die Wildniszone nicht mehr verändert, betreten und genutzt werden. Beobachtung der Entwicklung von außen – zum ökologischen Lernen – ist dagegen erwünscht.