Klar, alles, was aus dem Biogarten kommt, ist gesund. Aber manches Grünzeug ist eben besonders hilfreich – nicht nur vorsorgend, sondern auch, wenn die gesundheitliche Balance schon ins Schwanken geraten ist. Ein kleiner Ausflug in die Pflanzenheilkunde/Phytotherapie

von Marlies Ortner

 

Manche Gemüse können sogar als wertvolle Arzneipflanzen angesehen werden und werden auch als solche genutzt, entweder traditionell in der Volksmedizin oder – wieder entdeckt und wissenschaftlich erforscht – in der modernen Phytotherapie.

Artischocke, Cynara scolymus
Tees und Extrakte aus grünen Artischocken-Blättern enthalten den Bitterstoff Cynaropikrin und werden in der Phytotherapie zur Regulierung erhöhter Blutfette (einschließlich Cholesterin) und bei Gallenbeschwerden eingesetzt.

Bohne, Gartenbohne, Phaseolus vulgaris
Hier sind es die trockenen Hülsen – ohne die reifen Bohnenkerne -, die als mild Wasser treibendes Arzneimittel und als unterstützende Behandlung beim Diabetes mellitus dienen.

Brokkoli und Karfiol, Brassica napa
Diesen Kohlgewächsen ist eine Krebs vorbeugende Wirkung zuzuschreiben, die wahrscheinlich ausgeprägter ist als bei anderen Gemüsearten. Die Wirkung kann sich zunutze machen, wer durch lange Zeit mehrmals täglich schonend zubereitetes bzw. rohes Gemüse isst.

Erdapfel, Solanum tuberosum
Kartoffelsaft (der rohe Presssaft) und Kartoffelkochwasser mit dem enthaltenen Solanin können zur Vorbeugung und Behandlung der sogenannten Gastritis eingesetzt werden. Doch Solanin ist giftig, Überdosierungen zu vermeiden. Am besten greift man auf standardisierte Zubereitungen aus der Apotheke zurück. Kartoffeln enthalten wichtiges Vitamin C, das beim Kochen großteils erhalten bleibt.

Knoblauch, Allium sativum
Er ist möglicherweise das potenteste Gemüse, das wir in Bezug auf Gesundheitswirkungen kennen. Erwähnt seien die keimhemmende und –abtötende Wirkung der rohen Knolle, die Bakterien, Pilze und Viren angreift, des Weiteren seine Arteriosklerose vorbeugenden Kräfte und seine Blutdruck regulierende Wirkung.

Kraut und Kohl, Brassica
Der Presssaft der rohen Kohlblätter wurde in der Volksmedizin zur Abheilung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren eingesetzt. Auch bei Geschwüren an den Beinen wurden angequetschte Kohlblätter erfolgreich angewendet.

Paprika, Capsicum annuum
Während rohe Gemüsepaprika wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehaltes wertvoll sind, sind die scharfen Schoten hilfreich bei der Verdauung und schützen die Magenschleimhaut. Extrakte aus scharfen Paprikaschoten enthalten Capsaicin, das sich auch bei rheumatischen Erkrankungen bewährt hat.

Rettich, Raphanus sativus
Vor allem der Presssaft des Schwarzen Rettichs ist bei Verdauungsbeschwerden vorteilhaft. Er regt die Darmperistaltik und die Gallenfunktionen an. Als Volksheilmittel gilt der rohe Rettichsaft, der bei Erkältungskrankheiten den Schleim lösen soll.

Rote Rübe, Beta vulgaris
Die Rote Rübe, vor allem ihr roher Presssaft, gilt als immun- und leberstärkendes Mittel und wird bei Erkältungskrankheiten und bei der Nachbehandlung von Krebserkrankungen eingesetzt.

Steirischer Ölkürbis, Cucurbita pepo var. citrullinina var. styriaca
Die schalenlosen Samenkerne des Steirischen Ölkürbis sind wichtiges Arzneimittel und helfen bei der Vorbeugung und Behandlung der Prostatavergrößerung und der nervösen Reizblase.
Wichtige Inhaltsstofffe sind das Beta-Sitosterin, Tocopherole und Selen.
Das aus den Kernen gepresste grüne Öl ist in der Arteriosklerose-Vorbeugung wohl ebenso wirksam wie gutes Olivenöl. Es enthält 80% ungesättigte Fettsäuren, davon 50-60% der wichtigen Linolsäure, und eine hohe Konzentration an Vitamin E, Phytosterinen und Selen (siehe oben). Phytosterine können den negativen Cholesterinfolgen entgegenwirken und Antioxidantien verringern die „Kalk“-Ablagerungen an Gefäßwänden.

Spargel, Asparagus officinalis
Ist ein mild Wasser treibendes Mittel und wegen seiner kalorienarmen und ausgewogenen Zusammensetzung ein wertvolles Lebensmittel.

Topinambur, Helianthus tuberosus
Topinambursaft mit dem in der Knolle enthaltenen Inulin (nicht: Insulin!) ist ein mildes Süßungsmittel, das auch von Diabetes-Kranken genutzt werden kann und den Blutzuckerspiegel nicht erhöht. Topinamburknollen sind ein wohlschmeckendes und gesundes (Diät-)Lebensmittel, das allerdings bei manchen zu heftigen Blähungen führt – denen man mit reichlich Kümmelpulver vorbeugen kann.

Zuckerrübe, Beta vulgaris
Der naturbelassene Saft der Zuckerrübe enthält unter anderem die Substanz Betain, die bei Leber- und Gallenleiden genutzt werden kann.

Zwiebel, Allium cepa
Die roh genossene Küchenzwiebel ist besonders mineralstoff- und vitaminreich und enthält Keim hemmende Substanzen. Das machten sich bereits die Menschen im alten Ägypten zunutze, bei denen Zwiebeln und Knoblauch neben dem Getreide zu den Grundnahrungsmitteln gehörten. In der Volksmedizin wird die Zwiebel bei Erkältungs-krankheiten und Insektenstichen angewendet.

Ganz allgemein können Gartengewächse ihre hilfreichen Wirkstoff-Kombinationen umso besser entfalten, je gedeihlicher das Umfeld ist, in dem sie heranwachsen. Zusammengefasst heißt das:

  • standortgerecht: Berücksichtigung der Pflanzenvorlieben für Bodenbeschaffenheit, Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit
  • biologisch: Mischkultur, Pflanzenstärkungsmittel, Verzicht auf Kunstdünger und Gifte
  • permakulturell: noch vielfältigere Mischkulturen und Fruchtfolgen, schonende Bodenbearbeitung, Mulchsysteme, Vergrößerung der Randzonen, Einfügen von Nützlingsbiotopen,….

Besonders wichtig ist beim Kulturgemüse aber die Sortenwahl. In den letzten Jahrzehnten waren bekanntlich andere Gemüse-Züchtungsziele im Vordergrund als die für die Ernährung bedeutsamen Inhaltsstoffe – oder die Robustheit bei den unterschiedlichen Bedingungen im Hausgarten.
Gerade beim Gemüse sind durch Züchtung (Überzüchtung!) oft sowohl Inhaltsstoffe wie auch Robustheit verringert worden.
Das bewusste Zurückgreifen auf Altbewährtes ist daher sinnvoll. Auch deswegen, weil die „Neuen“ unter Hausgarten-Bedingungen oft überhaupt nicht gedeihen wollen. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich auch hier diese „Regel“.

Weitere Faktoren, die den Wert von Gartengemüse verringern können, sind Überdüngung (Nitrat- und Wasseranreicherung auf Kosten von wertvollen Mineralstoffen), Glashaus-Anbau im Winter (Lichtmangel fördert die Nitratentwicklung) und schlechte Lagerung (schnelle „Alterung“, Vitaminverluste und Schimmelbildung).

Ausgewogene Ernährung darf heute als wesentlicher Faktor für die Gesundheitsentwicklung des/r Einzelnen und der Bevölkerung gesehen werden. Gemüse spielt eine bedeutende Rolle, besonders die tägliche Verwendung von Frisch-, Lager- oder Sauergemüse, und zwar möglichst roh. Ausgenommen sind selbstverständlich Arten, die roh giftig sind, wie die Gartenbohne.
Besonders rohe Wurzelgemüse, anfangs in kleinen Mengen und möglichst fein geraspelt und gut gekaut oder als Smoothie, können mithelfen, die gesundheitliche Balance wieder her zustellen: Karotte und Sellerie, Rote Rübe und Rettich, Speiserübe und Zwiebel ….
Frisches Gemüse ist in gesundheitlicher Hinsicht dem Lager- und Sauergemüse im allgemeinen vorzuziehen, dieses aber dem Tiefkühl- und Glashausgemüse, und danach rangiert – aber in unseren Breiten wohl unvermeidlich – das konservierte Gemüse (getrocknet, eingelegt, eingekocht, …)