Mein Tiergarten ist kein Zoo. Alle Tiere leben freiwillig hier oder kommen gerne auf Besuch. Alle Tiere in meinem Tiergarten sind frei und ungezähmt.
von Marlies Ortner, Reprint aus dem E.R.D.E.-Gründungsjahr 1991
Mein Tiergarten ist eine kleine Insel, eine Oase der Vielfalt im allgemeinen Einerlei rundherum. Mein Tiergarten kann mitten in der Stadt entstehen, zwischen grauen Häusern, an der Hauswand, auf dem Balkon im Wohnsilo, im kahlen Hinterhof,… oder auf dem Land, eingesprengt in die Eintönigkeit der Monokultursteppe.
Mein Tiergarten und dein Tiergarten und viele kleinere und größere Tiergärten anderer Leute: Sie können Trittsteine werden, ein dichtes Netz für viele Tierarten, die hier ausruhen, Nahrung und Nistplatz finden. Bausteine zum Überleben!
Der Tiergarten an der Hauswand:
Begrünte Häuser sind Lebensraum für zahlreiche Insekten, auch Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Vögel. Wenn der Putz unbeschädigt ist, können Kletterpflanzen keinen Schaden am Mauerwerk anrichten.
Kletterpflanzen sind Verbesserer des Haus-Klimas, sie wärmen im Winter und kühlen im Sommer. Aber nur heimische Kletterpflanzen sind ins Ökosystem eingefügt und locken Tiere an. Ausländische und hochgezüchtete Prachtexemplare sind zwar oft eine Wohltat fürs Auge, machen aber keinen Tiergarten!
Je nach Himmelsrichtung und Sonneneinstrahlung sollten wir Sonne oder Schatten liebende Pflanzen verwenden: Efeu, Weinrebe, Waldreben, Hopfen, Geißblatt-Arten, Wilde Rosen, Spindelstrauch usw.
Für Schwalben und Mauersegler Nistbretter, für Meisen Nistkästen und für Fledermäuse Fledermauskästen aufhängen und Dachbodenluken öffnen.
Der Tiergarten auf dem Balkon:
Statt der Einheitspelargonie aus der Fabrik versuch Folgendes: In Kübeln, Kästen und Töpfen lass einfache Garten- und Wildblumen wachsen, die sich selbst aussäen. Achtung vor Hochgezüchteten und Hybriden, sie sind nicht vermehrungsfähig und haben Insekten keinen Pollen zu bieten. In einem Kasten wachsen Gräser, in einer Tonne entsteht ein Teich mit heimischen Wasserpflanzen (aber ohne Goldfische), in einer warmen Ecke duften Kräuter: Ysop, Bergbohnenkraut, Majoran, Dost, Rosmarin und Lavendel.
In der Wurmkiste vermehren sich die Kompostwürmer am laufenden Band und erzeugen Humus für die Topfpflanzen im Haus. Da kann es schon geschehen, dass sich ein Vogel einen Wurm heraus holt.
Für Vögel und Schmetterlinge sollten wir eine Tränke aufstellen. Schmetterlinge brauchen außerdem Schmetterlingsblumen (Nektarblüten) und Raupenfutterpflanzen. Siehe auch „Wegweiser zum Schmetterlingsgarten“.
Pflanzenstängel und Samenstände im Herbst bis zum Frühjahr stehen lassen – sie sind Insektenwohnung und Vogelnahrung.
Der Tiergarten auf dem Dach:
Garagen- und andere Flachdächer bzw. Dächer mit flacher Neigung können zu blühenden Magerwiesen werden und zahllosen Kleintieren Lebensraum bieten: Käfer, Hummeln, Wildbienen, Schmetterlinge, Vögel und alle anderen, die fliegen können, werden zu Gästen. Gerade Trocken- und Magerwiesen sind ja bedrohte Lebensräume und aus der Landschaft schon nahezu verschwunden.
Vor der Begrünungsaktion müssen allerdings die technischen Fragen geklärt werden. Das begrünte Dach muss eine Zusatzlast von etwa 100 kg/m2 tragen können.
Geeignet für das extensiv begrünte Dach sind heimische Wildpflanzen, die sonnige, trockene und extreme Standorte lieben: bestimmte Gräser, Hauswurz-Arten, Fetthennen und andere Dickblattgewächse, Thymian-Arten und andere.
Der Dachgarten dient außerdem als Regenwasser-Speicher und trägt dazu bei, dass weniger Regenwasser nutzlos in Kanälen verschwindet und teuer „entsorgt“ werden muss.
Der Tiergarten im Innenhof:
Unfreundliche, kahle Innenhöfe können zu freundlichen „Tankstellen“ für Menschen und Tiere in der Stadt werden.
Versuche, wenn irgendwie möglich, den Zugang zum Mutterboden wiederherzustellen, also Asphalt und Beton soweit wie möglich zu entfernen und eine Schicht lebendiger Erde aufzubringen.
Dann mit standortgerechten heimischen Wildpflanzen (Kräutern, Stauden, Sträuchern) bepflanzen bzw. diese aussäen. Z.B. eine Unkräuter-Rabatte, Früchte tragende Heckensträucher, ein Stück Blumenwiese, eine Laube aus Kletterpflanzen, eine duftende Kräuterecke, einen kleinen Wassergarten.
Auch für jeden noch so schattigen Innenhof gibt es Pflanzen, die gedeihen können.
Wer Schmetterlinge bei der Vermehrung unterstützen möchte, braucht außer den entsprechenden Schmetterlingseiern, die im Spezialhandel erhältlich sind (Nie der Natur entnehmen!), die geeigneten Raupenfutterpflanzen. Eine der wichtigsten ist die Brennnessel, von deren Blättern 13 heimische Raupenarten leben.
Ein solcher Tiergarten im Hof kann auch mitten in der Stadt sehr artenreich werden, besonders wenn man „ungepflegte“ Ecken und Bereiche belässt: die Brennnesselecke, Laub- und Ästehaufen, einen Kompostplatz, einen Schutt- und Ziegelhaufen.
Fledermäuse, viele Vögel, mit etwas Glück Igel und Kröten, Mäuse, kleine Wassertiere, kleinste Erdtierchen und Insekten aller Art werden den Wohnraum dankbar annehmen.
Ein dichtes Netz von Tiergärten in der Stadt und auf dem Land – hoffentlich bald Wirklichkeit!