Von Marlies Ortner

 

Streng genommen sind Wildkräuter Pflanzen, die „von selbst“ bei uns wachsen und von Mensch und Tier als Nahrung, als Heilpflanze oder zur Rohstoffgewinnung genutzt werden: z.B. zum Färben, für Kosmetika, als Putzmittel, zur Regulierung von Fressfeinden im Garten oder als Aromapflanzen.
Wildkräuter wachsen also auf der Wiese, am Wegrand, im Wald, …., ohne dass sie der Mensch aussäen, anpflanzen und pflegen muss.
Wildkräuter dürfen sich ihren Lebens-Platz selbst suchen. Sie sind daher vital und gesund, von menschlicher Pflege unabhängig und optimal mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ausgestattet. Sie sind ideale „Functional Foods“, natürliche Nahrungsergänzungsmittel.

Wildkräuter sind kräftig und eigenwillig im Geschmack, im Frühling zart, später im Jahr oft derber und manchmal recht herb.

 

Verwendung heimischer Wildkräuter

Nur eine kleine Zahl von Wildkräutern ist wirklich genießbar.
Als „gerade noch essbar“ kann man dagegen eine große Zahl an Arten bezeichnen. Die letztgenannten sind entweder unangenehm im Geschmack oder sogar unbekömmlich, also keine wirklichen Lebensmittel.
In meiner Aufzählung der essbaren und trinkbaren Kräuter beschränke ich mich daher auf die „angenehmen“ Kräuter.

Eine Sonderstellung zwischen Lebensmittel-Kräutern und Heilpflanzen nehmen die Gewürzkräuter ein. Sie werden in kleinen Mengen verwendet, um Speisen zu würzen und leichter verdaulich zu machen.
Der Übergang zwischen Gewürz- und Heilpflanzen ist fließend.

Heilpflanzen im engeren Sinn sollen dagegen nicht zum Essen oder Würzen verwendet werden, sondern nur dann zum Einsatz kommen, wenn ihre Heilwirkung gefragt ist, also bei der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten!
Das gilt vor allem für Kräutertees. Hier unterscheiden informierte TeetrinkerInnen zwischen dem so genannten Haustee, einem Genussmittel für alle Tage, und dem Kräutertee als Arzneimittel. Zu letzteren zählt z.B. der Tee aus Kamille, Baldrian, Spitzwegerich oder Tausendguldenkraut.

Kosmetikpflanzen werden Kräuter genannt, die eine gute Pflegewirkung auf Haut und Haaren entfalten und sich daher für die Herstellung von Kosmetika eignen.

Schließlich bietet die heimische Flora auch einige Pflanzen, die sich als Haushaltsreinigungs- und -pflegemittel, zur Insektenabwehr oder für den Einsatz im Biogarten eignen.

Beispiele für die Verwendung heimischer Wildkräuter gibt es viele. Jedes Land, ja jede Region hat je nach Klima, Landschaftsnutzung und Bodenbeschaffenheit „ihre“ heimischen Wildkräuter. Einige sind beispielhaft im Folgenden angeführt:

  • Essbare Wildkräuter: Spitzwegerich, Löwenzahn, Gundelrebe, Gänseblümchen, Vogelmiere, Giersch, Bärlauch, ….
  • Haustee-Kräuter: Blätter von Walderdbeere, Waldhimbeere, Wilder Brombeere, Blüten und Früchte der Hundsrose, …
  • Gewürzkräuter: Kümmel, Mauerpfeffer, Quendel, Beifuß, Pimpinelle, Dost, Sauerampfer, …
  • Heilpflanzen, geeignet auch für die Selbstanwendung: Baldrian, Johanniskraut, Kamille, Brennnessel, Weidenröschen….
  • Arzneipflanzen (giftig!): Roter Fingerhut, Tollkirsche, Herbstzeitlose, Schöllkraut, Erdrauch, Akelei, Küchenschelle, Germer, …
  • Kosmetikpflanzen: Ackerstiefmütterchen, Schafgarbe, Kornblume, Rosenmalve, Klette, Hundsrose, ….
  • Färbepflanzen (teilweise giftig!): Rainfarn, Walnuss, Färberginster, Ampfer, Wiesenkerbel…
  • „Haushalts-Pflanzen“ (teilweise giftig!): Ackerschachtelhalm (Zinnkraut), Farne, Seifenkraut, Echtes Labkraut, …

Die gesammelten Kräuter sollen, wenn sie als Lebensmittel verwendet werden, ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Sie sollen

  • sicher als die erwünschte Pflanze erkannt sein,
  • unverwechselbar sein (mit Giftigen),
  • nicht von frisch gedüngten, „gespritzten“ Flächen oder neben stark befahrenen Straßen gesammelt sein,
  • angenehm und kräftig schmecken,
  • bekömmlich sein,
  • und ansehnlich auch nach der Verarbeitung.

Wichtig ist auch ihre Beschaffbarkeit aus der Umgebung, damit sie möglichst frisch verarbeitet werden können.

Während die heimischen Wildkräuter ab Februar/März zu grünen und zu wachsen beginnen, ist mit den Gartenkräutern durchschnittlich erst ein bis zwei Monate später zu rechnen.

 

Die wichtigsten kulinarischen Wildkräuter

Im Frühling und teilweise im Sommer stehen folgende Pflanzen für Küche, Teller und Tasse zur Verfügung:

Bärlauch, Beifuß, Brennnessel, Brunnenkresse, Dost (Wilder Majoran), Gänseblümchen, Giersch, Gundelrebe, Hirtentäschelkraut, Hopfen-Triebe, Löwenzahn, Pimpinelle, Quendel (Wilder Thymian), Rotklee-Blüten, Sauerampfer, Schafgarbe, Spitzwegerich, Taubnessel, Walderdbeere
(alle Pflanzen sind mehrjährig)

Die Qualität der Wildkräuter

Qualität und Ernährungs-Wert von Kräutern aus Wildsammlung (so der Fachausdruck für nicht-kultivierte Wildpflanzen) hängt vor allem von folgenden Faktoren ab:

  • Standort der Pflanzen:
    Bevorzugen Sie zum Sammeln Natur belassene, also ungedüngte und nicht mit Pestiziden behandelte Flächen, also Biogärten und bestimmte Flächen von Bio-Landwirtschaften.
    Pflanzen von mit Mineraldünger oder Gülle behandelten Flächen können sehr viel Nitrat enthalten und an Geschmack und Aroma eingebüßt haben.
    Pflanzen von frisch gedüngten oder „gespritzten“ Flächen oder von fabriks- und straßennahen Orten sind nicht geeignet, ebenso nicht solche von Hundeauslauf-Plätzen.
  • Frische der Pflanzen:
    Ideal ist ein möglichst kurzer Zeitraum zwischen Ernte und Verarbeitung bei kühl-feuchter Lagerung. Viele Wildkräuter, vor allem zarte Frühlingskräuter, die kühle Temperaturen gewohnt sind, welken bei Zimmertemperatur sehr schnell und vertrocknen in wenigen Stunden. Sie verlieren dabei auch wichtige Inhalts- und Geschmacksstoffe.
    Die Haltbarkeit im Kühlschrank ist von Art zu Art verschieden und beträgt 1-3 Tage.
    Die Lagerung mittels „Einfrischen“ in einem Glas bringt große Verluste an Wirkstoffen und Geschmack und ist daher wenig geeignet.
  • Reinigung der Pflanzen:
    Um Insekten, Erde, Wurmeier, …. verlässlich zu entfernen, ist eine gute Reinigung der Kräuter – im Allgemeinen mit heißem Wasser – erforderlich.
  • Schonende Verarbeitung und sinnvolle Verwendung:
    Die ersten zarten Frühlingskräuter sind wertvoll und stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung.
    Sie sollen daher entweder den Bienen bleiben oder vor allem unerhitzt zum Einsatz kommen, da der Vitamin-C-Gehalt beim Erhitzen großteils verloren geht und eine allgemeine Verminderung des Ernährungswertes eintritt.
    Erhitzten Speisen sollen sie möglichst ganz zum Schluss zugegeben werden.

Unerwünschte Bitterstoffe, wie z.B. bei der Brunnenkresse, können durch Einlegen in Salzwasser oder durch Essig entfernt werden. Frischkräuter werden am besten mit einem scharfen Messer oder einem scharfen Wiegemesser fein gehackt. Durch das Hacken werden sehr viele Pflanzenzellen geöffnet und ihr wertvoller Inhalt frei gegeben.

Beschaffung der Wildkräuter

Abgesehen von Löwenzahn, Brennnessel und Bärlauch, die meist reichlich zur Verfügung stehen, ist das Sammeln der ersten Frühlings-Wildkräuter in größeren Mengen recht aufwändig und erfordert die geeigneten, von Pestiziden und Mineralstoffdünger freien Flächen.
Es ist daher unter Umständen sinnvoll, die Kräuter beim biologisch wirtschaftenden Bauernhof in der Region – nach Absprache – zu sammeln oder im eigenen Garten anzubauen.

 

Verarbeitung und Konservierung

Die unerhitzte Verwendung ist dem Erhitzen vorzuziehen.
Frischkräuter sollen Suppen, Soßen etc. im möglichst spät beigegeben werden.
Konservierung ist nur begrenzt sinnvoll, vor allem beim wertvollen Bärlauch (einfrieren, in Öl einlegen). Schmalblättrige, behaarte, harte Blätter eignen sich zum Trocknen oder Einsalzen. Weiche, dickfleischige Blätter sind besser zum Einfrieren oder in Öl Einlegen geeignet. Siehe auch Tabelle.
Frischkräuter-Gewürzmischungen, z.B. für Salatsoßen, Aufstriche und Suppen, werden am besten fein gehackt eingefroren.
Die meisten Wildkräuter stehen von Frühjahr bis Herbst zur Verfügung. Im Sommer und Herbst werden sie von frisch gemähten Wiesen gewonnen, damit sie jung und zart und nicht zu bitter sind.
Einige Wildkräuter aber sind nur im Frühjahr vorhanden und können nur in dieser Zeit geerntet werden: Bärlauch, Brunnenkresse, Hopfentriebe. Sie müssen konserviert werden, wenn man sie außerhalb der Saison genießen will.

Konservieren von Wildkräutern
Am besten frisch verwenden – aber wenn`s sein muss und für den Winter…

Trocknen

Einfrieren

Einlegen in Essig

Einlegen in Öl

Bärlauch

x

x

Beifuß

x

Brennnessel

x

x

Brombeerblätter

x

Brunnenkresse

Dost

x

x

x

Gänseblümchen

x

Giersch

x

Gundelrebe

x

x

x

Himbeerblätter

x

Löwenzahn

x

Pimpinelle

x

x

Quendel

x

x

x

Sauerampfer

Schafgarbe

x

x

x

Veilchenblüten

x

x

Spitzwegerich

Taubnessel

x

Erdbeerblätter

x

 

Einige Rezeptvorschläge mit Wildkräutern

  • Haustee aus Wildkräutern
    Für einen wohlschmeckenden, bekömmlichen Tee aus frischen – oder im Winter aus getrockneten – Pflanzen eignet sich vor allem eine Mischung aus Brennnesselblatt, Spitzwegerichblatt, Schafgarbenblüte und -blatt, Walderdbeerblättern, Waldhimbeer- und Brombeerblättern, Dost-Blättern und Quendelkraut. Kräuter mit heißem Wasser übergießen, 3-5 min ziehen lassen, abgießen.
    TIP: Bereiten Sie den Haustee nicht zu konzentriert zu. Ein Teelöffel der getrockneten bzw. der frischen Pflanze genügen für eine Portion (1-2 Tassen)
  • Vorspeise Kräuterbrot
    Geröstetes Knoblauch-Vollkornbrot mit frischen fein gehackten Wildkräutern bestreuen und warm servieren.
  • Steirischer Frühlings-Wildkräutersalat
    Junge und zarte Blätter und Blüten von Gänseblümchen, Pimpinelle, Löwenzahn, Sauerampfer, Gundelrebe (wenig), Spitzwegerich, Schafgarbe, …. gut waschen und trocknen. Kleinwürfeligen Speck bei niedriger Hitze auslassen. Das Speckfett mit etwas Rindsuppe erhitzen und wieder auskühlen lassen. Daraus mit Apfelessig, Salz und Zucker eine Marinade bereiten.
    Pflücksalat aus dem Garten vorbereiten, mit den Kräutern, der Marinade und einem säuerlichen grob geriebenen Apfel mischen. Zuletzt mit den Speckwürfeln übergießen und mit Gänseblümchenblüten verzieren. TIPP: Ernährungsbewusste nehmen Kürbiskernöl statt Speck.
  • Wildkräuter- oder Brennnessel-Topfen/Quark-Aufstrich
    Gemischte Frühlingswildkräuter mit wenig herbem Löwenzahn und Brunnenkresse, aber reichlich aromatischen Kräutern (Schafgarbe und Pimpinelle) fein gewiegt mit süßem Quark/Topfen und Meersalz, evtl. mit Zwiebel und Knoblauch, verarbeiten. Als Zwischengericht auf Vollkornbrot.
    TIPP: Die Nesselhaare der Brennnessel mit dem Nudelholz sorgfältig zerbrechen und damit unschädlich machen!
  • Frühlings-Wildkräutersuppe
    Brennnessel, Giersch, Schafgarbe, Löwenzahn, Sauerampfer, Taubnessel, Spitzwegerich, … fein gehackt in Butter anschwitzen und in die Suppe (Rindsuppe, Gemüsesuppe, Haferflockensuppe…) einrühren. Mit einem Schuss Obers oder Olivenöl abrunden.

Beilagen und Hauptspeisen

  • Kräuternudeln
    Nudelteig wie gewohnt zubereiten und faschierte Wildkräuter beifügen. Trocknen lassen und in Salzwasser kochen. TIPP: Mit etwas Butter und geriebenem Käse sowie Salat dazu wird aus der Beilage eine Hauptspeise.
  • Wildkräuter-Klößchen
    Kartoffel-Gnocchi wie gewohnt zubereiten und fein gehackte Wildkräuter nach Saison beifügen. Brennnesselblätter passen sehr gut als „Hauptkraut“, dazu z.B. Gundelrebe, Bärlauch und Dost.
    Mit Butter und Käse ein vollwertiges, sättigendes Hauptgericht. Dazu Blatt- oder Gemüsesalat.
  • Frühlingswildkräuter- (Brunnenkresse-, Bärlauch-) Püree
    Schalottenwürfel in Butter andünsten, fein gehackte Kräuter zugeben, mit süßem Obers aufgießen und einige Minuten köcheln lassen. Dann im Mixer fein pürieren und mit Salz und Obers abschmecken.
  • Kräuterbrot
    Vollkorn(Dinkel-Roggen)-Brotteig 2 cm dick ausrollen, mit Wildkräuterpaste bestreichen, zusammenrollen, backen.