von Michael Wedenig, Naturgärtnereo, Feldkirchen/Kärnten

Ich schwimme gerne, und wie es beim Schwimmen so ist, schaut nur wenig von mir aus dem Wasser heraus, nur der Kopf, jedoch nehme ich nur das wahr, was über dem Wasser ist – Menschen, Boote, Landschaft, Wellen. Setze ich hingegen die Taucherbrille auf, z.B. im Meer in Kroatien, dann erscheint unter mir eine ganze Welt, ähnlich groß wie die Welt oberhalb des Wassers. Wenn es unter mir weit hinuntergeht – an einer felsigen Küste etwa – komme ich mir vor wie beim Fliegen.
Ähnlich ist unsere Wahrnehmung beim Boden, wir sehen nur das, was an der Oberfläche ist. Die Wirklichkeit ist aber eine ganz andere.
Die Pflanze wächst nicht vom Boden auf, wie wir es wahrnehmen, sondern sie wächst von der Bodenoberfläche nach oben und unten zugleich. Pflanzen wachsen sogar viel weiter nach unten als nach oben.
Rudolf Steiner gebraucht dafür ein anderes Bild: Er sagt, die Bodenoberfläche ist wie das Zwerchfell. Es trennt Herz und Lunge vom Verdauungsapparat, ist immer in Bewegung, ist für manche Dinge durchlässig. Deshalb ist es unerlässlich, unter die Erde zu schauen, ein Gespür dafür zu entwickeln was sich dort unten tut. Das ist nicht so leicht, es geschieht im Verborgenen, geheimnisvoll, man muss sich vertiefen um an die Geheimnisse zu kommen.

Sehen: Wie schaut der Boden aus? Wenn er trocken ist, reißt er dann auf? Wenn er nass ist, bleibt das Wasser stehen oder zieht es ab? Wenn der Wind geht, trocknet er schnell aus? Oje, er, der Boden ist doch kein er, es ist Mutter Erde, urweibliches Prinzip, ich werde doch lieber von Mutter und Erde weiter reden!

Fühlen: Wie fühlt sie sich an, wenn ich in den Garten gehe, vielleicht sogar barfuß? Ist sie wie verfliester Betonboden unter den Füßen, kalt und hart, oder wie ein Schiffboden, etwas federnd und weich? Wie fühlt sie sich an, wenn ich sie zwischen den Fingern zerkrümle, feinkörnig wie Sand, bindig wie Ton oder schön krümelig?

Riechen: Nimm eine Handvoll Erde auf, ohne Handschuhe, und steck deine Nase tief hinein. Ist sie geruchlos, steril, oder gar sumpfig-moorig, oder duftend wie Walderde.

Schmecken: Die Erde aus einem guten Garten, der nicht mit Stallmist oder faulem Kompost oder Ähnlichem versetzt wurde, kann man auch schmecken. Es gibt ja auch Heilerde zu kaufen und die feine Erde von Scherhäufen (Maulwurfshügeln) gibt man Ferkeln, wenn sie Durchfall haben.

Graben: Einen Spaten nehmen und ein Loch buddeln. Wie sehen die Wurzeln der Pflanzen aus, die darin wachsen? Sind sie spärlich oder ist alles durchwachsen, komme ich auf harte verdichtete Schichten, wie weit gehen die Wurzeln hinunter?

Fruchtbarkeit: Wie schon gesagt, Mutter Erde ist zutiefst weiblich, deshalb ist Fruchtbarkeit ein ganz wichtiges Thema. Sie ist der Mutterschoß für die Samen, die hineingelegt werden, für die zarten Pflänzchen, die in sie gepflanzt werden. Dieser Mutterschoß muss lebendig und gesund sein.

Sie mag nicht nackt sein: Mutter Erde mag es bedeckt. Sobald sie zugedeckt ist, wird sie fast von selbst weich und krümelig. Deshalb den Boden immer bedeckt halten, z.B. mit Rasenschnitt mulchen, nur dünn, dafür öfters, damit es darunter nicht fault.
Im Herbst, wenn nichts mehr angesät wird, die Erntereste und Blätter einfach liegen lassen oder für den Winter eine Laubschicht auftragen.
Allerdings, wenn man den Garten krampelt (hackt), wirkt das auch wie eine Mulchschicht, denn die oberste, gelockerte Schicht schützt die untere. Die Erde kann nicht austrocknen und sobald abgeerntet ist, Gründüngung säen oder, wenn es sich nicht mehr ausgeht, siehe oben!

Sie mag es bunt: Je mehr Verschiedenes auf ihr wächst, desto lieber ist es ihr. Tief wurzelnde Pflanzen wechseln sich ab mit flach wurzelnden, hohe mit niedrigen, stark zehrende mit genügsamen, usw. Im Gemüsegarten probieren wir eine Buntheit im Nacheinander zusammenzubringen. Das nennen wir Fruchtwechsel.

Sie möchte ihre Kinder um sich haben: Die Erde mag nicht ohne Pflanzen sein. Pflanzenwurzeln und Mutterboden brauchen sich wechselseitig, beleben einander, ergänzen sich.
Sobald ein Beet abgeerntet ist, wird Gründüngung gesät! Am liebsten säen wir im Hausgarten Buchweizen (Hadn, Heiden). Er friert im Winter ab, einfach liegen lassen und erst im Frühling wegrechen. Ölrettich, Senf und Raps sind im Garten nicht gut. Es sind Kohlgewächse und von denen haben wir im Garten schon genug.

Jedes Lebewesen hat bei ihr Platz: Der Maulwurf sowieso, auch die Wühlmaus lockert den Boden in die Tiefe, schafft Kanäle in denen Regenwasser abzieht, Schnecken vertilgen Faules, sogar mit Maulwurfsgrillen kann man leben.

Die Quintessenz: Sich bewusst werden was sich im Boden abspielt, beobachten, ein Gefühl dafür bekommen. Das ist besser als jede Bodenuntersuchung, die kostet nur Geld und man ist danach nicht wirklich gescheiter als vorher.