von Thomas Meier und Marlies Ortner

In einem alten Gartenbuch für den Erwerbsgartenbau haben wir im Kapitel „Bodenbereitung und Düngung für die Kultur der Rosen im freien Lande“ folgenden Vorschlag für „gebrannte Erde“ gefunden:

„Gebrannte Erde wird nicht allein im Rosen-, sondern auch im Gemüse- und Blumengarten sowie bei den Topfpflanzenkulturen überhaupt mit großem Vorteile verwendet. Von manchen wird das Brennen der Erde als sehr schwieriger Prozess betrachtet – dem ist aber nicht so: Wenn den Beginn der Sache die nötige Vorsicht und Ausdauer begleitet, wird ein günstiges Resultat dem ersten Versuche folgen und bei Wiederholungen werden durch Erfahrung die nötigen Vorteile praktisch erworben.
Mit der Herstellung gebrannter Erde kann zu jeder Jahreszeit begonnen werden, insbesondere möchte ich hierzu das Früh- oder Spätjahr empfehlen. Nachdem im Garten die Gehölzgruppen geschnitten und die übrigen Früh- oder Spätjahresarbeiten beendet sind, werden im Erdmagazin (heute: Kompostplatz) oder auf einem anderen freien Platze drei ziemlich lange, knorrige Baumäste so in die Erde gesteckt, dass sie unten ein Dreieck mit höchstens 30 cm Entfernung von Ast zu Ast bilden, oben müssen sie mit einer Weidenrute zusammengebunden werden. Um die Äste wird alles abgängige (heute: zur Verfügung stehende, übrige) Holz, besonders die dornigen Zweige der Rosen, alles schädliche Unkraut usw. aufgeschichtet, und dieser Haufen mit einem ca. 1 m hohen Damm von Rosenerde, Lehm oder anderem abgängigen Boden, der zur Hand ist, umgeben. Die Zweige werden alsdann so angezündet, dass sie ringsum gleichzeitig brennen. Nachdem sie halb niedergebrannt sind und eine starke Glut hergestellt ist, wird Unkraut und alles Gestrüpp, das zu diesem Zweck längst gesammelt wurde, darüber ausgebreitet und das Ganze wird nun mit einer mäßig dicken Erdschicht so bedeckt, dass von den brennenden Zweigen bis zur Höhe der drei mittleren Äste nichts mehr zu sehen ist. Über diesem Haufen wird wieder eine Partie Zweige, altes Holz usw. ausgebreitet, und sobald die Flamme heraus zu brechen droht, nochmals Unkraut, Gestrüpp und Erde darauf geworfen. Auf diese Weise kann je nach Bedarf sechs bis acht Tage fortgefahren werden und es sollte stets darauf Rücksicht genommen werden, dass den Flammen nie gestattet wird durchzubrechen. Über die Stellen, wo sich das Feuer am stärksten zeigt, sollte Erde oder sollten am besten solche Stoffe geworfen werden, die voll Unkraut sind, wie z.B. der Abfall, der beim Putzen der Gräben, Teiche usw. gewonnen wird. Besonders vorsichtig sollte der Haufen abends, bevor die Arbeiter den Garten verlassen, mit Erde regelmäßig überdeckt werden, damit die Flammen während der Nacht nicht auflodern können, wodurch die Brennkraft verschwendet wird, ohne den Haufen durch und durch verkohlt zu haben.
Es ist am Platze, den Zweck der drei knorrigen Äste in der Mitte des Haufens näher zu erwähnen. Wenn der Haufen ringsum gleichmäßig mit Erde bedeckt worden ist, entsteigt demselben feuchter, dichter Qualm, und nur oben über den ebenfalls mit Erde bedeckten Ästen, deren Mitte einen Rauchfang bildet, entsteigt Rauch; sieht man nun demselben zunehmen oder gar einzelne Feuerzungen sich erheben, so ist es an der Zeit, den Haufen mit einer neuen Schicht Zweige und Erde zu umgeben.
Nachdem das für den Bedarf nötige Quantum Erde hergestellt ist, welches beim Anblick des Haufens annähernd geschätzt werden kann, weil derselbe bei fortwährendem Brande stets wieder zusammensinkt, bleibt der Haufen etwa 12-14 Tage unberührt, wird alsdann durch ein weites Erdensieb geworfen und die dadurch gewonnene Erde aufgeschichtet, um später bei den vorkommenden Arbeiten verwendet zu werden.“

In diesem Kohlenmeiler in Gartengröße entsteht durch unvollständige Verbrennung also Pflanzenkohle, vermischt mit gebrannter Erde.
Die verwendete Deckerde wird nämlich bei diesem Prozess auch sehr stark erwärmt und es werden einige Bestandteile durch Sauerstoffabschluss reduziert und umgewandelt. Das führt zu einer Nährstofffreisetzung. Durch die Anlagerung an die entstandene Kohle (Ruhezeit 12-14 Tage) bleiben diese Nährstoffe langfristig für Pflanzen verfügbar. (Im Gegensatz zu Brandrodungen, bei denen die Nährstoffabnahme nach dem ersten ertragreichen Jahr drastisch verläuft, da durch die offene Verbrennung kaum Kohle übrig bleibt und so die Nährstoffe leicht ausgespült werden.)
Das gesiebte Material kann dann für den Gebrauch noch mit reifem Kompost und Mist angereichert werden.

„Pflanzenkohle ist kein Nährstoff, sondern aufgrund seiner großen Oberfläche ein optimaler Lebensraum für erwünschte areobe Mikroorganismen,“ schreibt Gerald Dunst von Sonnenerde, ein Kulturerden-Produzent mit großer Erfahrung.
Zugeführte Nährstoffe werden in der äußerst porösen Pflanzenkohle gespeichert und können dadurch nicht ins Grundwasser ausgewaschen bzw. nicht an die Luft abgegeben werden. Nährstoffe bleiben also langfristig erhalten und werden durch die in der Pflanzenkohle angesiedelten Mikroorganismen pflanzenverfügbar gemacht.
Außerdem speichert Pflanzenkohle Feuchtigkeit bis zum fünffachen ihres Eigengewichts. So nimmt die Wasseraufnahme- und speicherfähigkeit des Substrats, dem die Pflanzenkohle zugefügt wurde, deutlich zu.
Pflanzenkohle bindet mit ihrer großen Oberfläche (laut Literatur bis zu 300 m² pro Gramm) auch Gerüche und unerwünschte Flüssigkeiten, die beim Kompostieren von Küchen- und Gartenresten sowie von tierischem Mist auftreten können. Sie macht das Kompostieren sozusagen „stadttauglich“.
Das Wichtigste ist aber wohl, dass sie

  • dem Klimawandel entgegen wirkt, indem sie langfristig Kohlenstoff bindet (Kohlenstoffsenke) und die Methan-Emission vermindert,
  • Nährstoffe, vor allem Stickstoff, festhält,
  • Mikroorganismen und Pilze (Saprophyten) fördert und die Nährstoffe pflanzenverfügbar macht
  • eine antibakterielle und fungizide Wirkung entfaltet und daher beim Pikieren von Sämlingen und der Desinfektion beim Wurzel- und Gehölzschnitt eingesetzt werden kann und
  • stabilen Dauerhumus aufbaut.

Pflanzenkohle wird, wie gesagt, aber erst in Verbindung mit nährstoffreicher Biomasse zu dem Langzeitdünger, den wir für unsere Topfkulturen und intensive Gartenbeete suchen, sie wird „aufgeladen“, wie es in der Fachwelt heißt. Reine Pflanzenkohle wirkt sich ungünstig auf den Boden aus, indem sie Nährstoffe blockiert!
Sie wird daher dem Kompostier-Gut zugesetzt (z.B. 10%), auch dem zu kompostierenden Mist, und wird oft als Beigabe bei der Bokashi-Herstellung empfohlen. Auch die Zugabe zur reifen Komposterde ist möglich (z.B. im Volumen-Verhältnis 1:10 bis 1:5).

Besonders günstige Auswirkungen hat die Gabe von aufgeladener Pflanzenkohle auf sandige, humusarme und ausgelaugte Böden – während in humusreichen, ohnehin biologisch hoch aktiven (Garten-)Böden die Veränderungen naturgemäß geringer sein werden. Auch Regenwürmer schätzen mit Pflanzenkohle angereicherte Böden sehr.

Kleinere Mengen von Pflanzenkohle gewinnt man im Hausgarten bekanntlich durch das vorzeitige Ablöschen von Lager- und Grillfeuern, wobei unbedingt auf die Herkunft des Holzes (und der Grillkohle) zu achten ist, um dem Boden Schwermetall- und Pestizidbelastungen aus nicht nachhaltiger Waldwirtschaft oder durch die chemische Behandlung des gelagerten Holzes zu ersparen.

Eine andere Möglichkeit zur Herstellung von Holzkohle ist das Verbrennen von Holz in einem Grubenfeuer, einer Tonne bzw. in einem Metallbehälter im Ofen. Es gibt aber auch einfache Pyrolyse-Griller bzw. -Öfen, die fast nur die aufsteigenden Rauchgase für die Verbrennung nutzen. Zurück bleiben Asche und große Anteile an Holzkohle.

Pflanzenkohle wurde früher in Europa häufig eingesetzt, geriet aber nach der Erfindung des Kunstdüngers in Vergessenheit. Erst durch die Entdeckung und Enträtselung der geheimnisumwitterten Terra preta der Indianervölker Südamerikas in den 1980-er Jahren beschäftigte sich die Fachwelt, insbesondere die biologische Landwirtschaft, wieder vermehrt mit der Pflanzenkohle – auch weil die landwirtschaftlich genutzten Böden immer mehr und schneller an Humus verloren.

Terra preta (portugiesisch: schwarze Erde) bezeichnet fruchtbare, biologisch hoch aktive Kulturerde, die aus Holzkohle (von den Herdstellen), Pflanzenresten, Mist und menschlichen Fäkalien in großen, in der Erde vergrabenen Tonkrügen durch Fermentation entstand. Mithilfe dieses Langzeitdüngers haben die Gärten und Felder trotz langfristiger intensiver Nutzung und großer Niederschlagsmengen in den Tropen ihren hohen Anteil an Dauerhumus behalten können.

Die unvollständige Verbrennung von Biomasse unter Sauerstoffabschluss, hier meist von Holz, bei der die Pflanzenkohle entsteht, nennt man Pyrolyse. Bei der traditionellen Herstellung von Pflanzenkohle im Kohlenmeiler werden die brennbaren Pyrolyse-Gase zum Erwärmen (Anfeuern) des Meilers genutzt. Ein Teil geht verloren, indem das Holzgas in die Luft entweicht – während es bei der Holzvergasungstechnik zur Wärmegewinnung oder mittels Kraft-Wärme-Kopplung fast vollständig als Antriebsenergie genutzt werden kann. Kleinst-Pyrolyse-Kocher für die Anwendung in Haus und Garten sind bereits entwickelt und in Gebrauch, vor allem für die schadstoffarme Verwertung organischer Haushalts- und Gartenreste, aber auch größere Anlagen für landwirtschaftliche Restmaterialien aus Biogasanlagen, Ölpressen oder Brennereien. Diese Geräte verwenden das (eigene) Pyrolysegas als Brenngas.

Dass selbst hergestellte oder zur Bodenverbesserung erworbene Pflanzenkohle kein menschliches Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel ist, soll abschließend erwähnt werden. Besonders schwerwiegend könnten sich enthaltene Schwermetalle auswirken, aber auch PAK, die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die beim Pyrolysevorgang entstehen (können) (Bestandteile des Holzteers).
Das spricht gegen die ungeprüfte Beimischung von Pflanzenkohle zum Tierfutter, wie bei der sogenannten Kaskadennutzung der Pflanzenkohle empfohlen. Das Europäische Pflanzenkohle-Zertifikat (European Biochar Certificate, EBC), das strenge Grenzwerte vorsieht, hat den Bodenschutz, aber nicht die Eignung als Lebens- oder Futtermittel zum Inhalt. Die PAK sind zwar von den gängigen Boden-Mikroorganismen nur schwer abbaubar (eher von bestimmten Pilzen – das dauert aber), aber sie sind recht fest an die Kohle gebunden und es darf außerdem angenommen werden, dass sie nur zu einem geringen Teil von den Pflanzen aufgenommen werden – wohl aber von tierischen Verdauungssystemen. Die PAK im Rauchgas sollten nachverbrannt werden, um Benzpyren und andere Aromaten unschädlich zu machen.

Das als Lebensmittelzusatzstoff verwendete Kohlenschwarz E 153 ist übrigens gereinigte Pflanzenkohle, die zum Schwarzfärben von zB. Käserinde, Marmeladen oder Süßigkeiten, aber auch von Kosmetika und Arzneimitteln zugelassen ist.

Medizinal- oder Aktivkohle wird aus Holz oder anderen organischen Stoffen zB. mittels trockener Destillation (Erhitzung bei Sauerstoffentzug auf 800 Grad) und einer weiteren Behandlung zur Vermehrung der Poren hergestellt. Medizinalkohle (früher oft Tierkohle genannt) dient bei Erkrankungen zur schnelleren Entfernung von Giftstoffen aus dem Magen-Darmtrakt (bindet aber auch erwünschte Mineralstoffe und Vitamine, was ihre längerfristige Anwendung bei Gesunden und die behauptete „Detox“-Wirkung fragwürdig macht).

Aktivkohle ist ein Trägermaterial von Filtern, die Flüssigkeiten und Gase reinigen, und kommt bei Katalysatoren, Elektroden und bei Dunstabzugshauben (zur Geruchsneutralisierung in Küchen) zum Einsatz.

 

Zum Weiterlesen

  • Terra Preta, Die schwarze Revolution aus dem Regenwald, Ute Scheub, Haiko Pieplow und Hans-Peter Schmidt, Oekom-Verlag, triaterra.de
  • Ithaka, Journal für Ökologie, Weinbau und Klimafarming, Hrsg: Ithaka Institute for Carbon Strategies, Rue de l`Ancienne Eglise 9, CH 1974 Arbaz, 0041 027 398 12 92, ithaka-institut.org
  • Sonnenerde Gerald Dunst Kulturerden GmbH, Oberwarterstr. 100, A 7422 Riedlingsdorf, 0043 3357 42 198,
    sonnenerde.at