von Marlies Ortner
Zu Beginn des neuen Gartenjahrs ist es nützlich, Rückschau zu halten. Im Garten der Vielfalt waren für Gemüse, Beeren, Kräuter und Samen im vergangenen Jahr wieder verschiedene Beet-Arten in Betrieb: die fünf langen Wallbeete, bananenförmig als Sonnenfallen auf einen leichten Nordhang gebaut, vier Grasmulchbeete im Freiland und eines im neuen Folientunnel sowie ein Hügelbeet und ein Hochbeet (Natürlich gibt es auch die langjährigen Blumen- und Schotterbeete, den Steinkreis und die Kräuterspirale noch.)
Während das Hügelbeet bzw. seine Pflanzen an Baumängeln zu leiden hatten (zu „luftig“ gebaut – der noch grüne Astschnitt konnte nicht ausreichend verdichtet werden; zu warten wäre besser gewesen), entwickelten sich die Lebensgemeinschaften auf den anderen Beeten auf interessante Weise.
Zwei der Wallbeete setzten ihre Umwandlung von Lebensräumen für Einjährige zu solchen für Mehrjährige selbständig und planmäßig fort: Die Erdbeeren wanderten in Längsrichtung mehrere Meter weiter, gefolgt von den Himbeeren, wobei diese offenbar eine größere Geschwindigkeit entfalten und sich auch nicht immer an die vereinbarte Laufrichtung halten, ja unterirdisch den gemähten Grasstreifen zwischen den Beeten überqueren und auf dem nächsten Beet auftauchen, auf dem ein strenges Himbeer-Verbot gilt. Aber in diesem Jahr wurde den Himbeerpflanzen alles verziehen, waren sie doch neben Erd- und Brombeeren das einzige Obst – alle anderen Fruchtansätze waren ja Ende April bzw. Anfang Mai einem heftigen Spätfrost zum Opfer gefallen.
Über 60 Bohnenstangen (einzeln stehende Fichtenstangen und Dreier-Kombinationen aus Bambus, 2,5 bis 4,5 m hoch) fanden Anfang Mai auf den Wallbeeten halbwegs gute Plätze – zwischen blühendem Feld-/Vogerlsalat (ergab eine Salatschüssel voll Samen…), wucherndem Schlangenknoblauch-Grün (keine Chance, die Pflanzen durch Weg-Essen in die Schranken zu weisen), vorauseilenden Erdbeerpflanzen und „illegalen“ Blumenstauden wie Färberkamille, Nachtviole, Geißraute, Goldfelberich und Bartnelken (die wegen ihrer Schönheit und ökologischen Wichtigkeit wieder einmal nicht gejätet worden waren). Zu jeder Stange kam eine große Schaufel voll guter Erde, die sich in unseren „Erdfabriken“ – dem Vorgänger-Hügelbeet, dem Hochbeet und der Kompostmiete – gebildet hatten. Vermischt mit dem Boden der Wallbeete gab sie den Bohnenkörnern einen guten Start – aber nicht nur diesen.
Denn zu unserer Überraschung keimten rund um die Stangen auch zahlreiche Körner-Amarantpflanzen, Tomatillos, Paradeiser und natürlich Baumspinat (letzterer war allerdings nicht überraschend). So groß die Freude über diesen Zugewinn auch war, mussten wir doch Zug um Zug einen Teil der spontanen Keimlinge entfernen, damit unsere Hauptfrucht auf diesen Beeten, die Bohnenpflanzen, genug Nährstoffe, Licht und Luft hatten. Die verbleibenden Lebensgemeinschaften entwickelten sich prächtig und fanden in den Bohnenstangen eine brauchbare Stütze. Die Paradeiserpflanzen hielten mit ihrem Geruch die naschhaften Rehe von den Bohnenblättern ab (zumindest solange sie der Krautfäule trotzten), die Baumspinatblätter waren beliebtes Sommergemüse und die Tomatillos blühten herzerfrischend.
Ab dem Spätsommer leuchteten die bis 1,60 m hohen roten und kupferfarbenen Amarant-Blütenstände aus dem Bohnenwald hervor und machten jeden Beetbesuch zum Ereignis. Das Zusammenleben mit anderen Familien und Arten hatte den Pflanzen sehr gut getan und sie bildeten prächtige Fruchtstände aus – im Gegensatz zu den klein Gebliebenen, die wir in Reihen ausgesät hatten und die sich trotz energischem Auslichten gegenseitig konkurrenzierten. Die Amarantkörner-Ernte von den selbst ausgesäten Pflanzen war jedenfalls beträchtlich.
Vor und hinter hinter die Bohnenstangen hatten wir überschüssige Kohlgewächse platziert. Während es dem Kopfkohl auf den sonnigen Plätzen im Sommer zu heiß war – Mulchen war keine ausreichende Hilfe -, war es ihm hinter den Bohnen zu dunkel. Erst nach dem Sommer, als sich die Bohnenblätter im unteren Bereich lichteten, begannen die Krautpflanzen kräftiger zu wachsen, aber für manche reichte die Zeit nicht mehr. Große Freude machte aber der kräftige Markstammkohl, der an nicht sehr hellen Plätzen bis zu 3 m hoch wurde, wahrscheinlich auf der Suche nach Licht. Noch bis Mitte November ragten einige Exemplare stolz in solche Höhen, dass ihre Blätter für die Rehe unerreichbar waren. Markstammkohl galt früher als gutes Schweinefutter. Wir nutzen junge Blattstiele als Kohlgemüse, Kohlsuppe mit Kartoffeln oder im Mischgemüse.
Sehr dekorativ waren die fast 2 m hohen Erbsenpflanzen mit blauvioletten Schoten, die kurz vor der geplanten Haupternte von den Mäusen entdeckt und fein säuberlich geöffnet und geleert wurden. Das Foto mit den violetten Erbsen- und daneben hängenden violetten Bohnenschoten kam so nicht mehr zustande. Nächstes Jahr wollen wir schneller sein.
Die Bohnenernte war erfreulich und erstreckte sich über viele Wochen, beginnend im Juli mit den jungen Fisolen der frühen Sorten (Braune, Blaue und Frühe Grüne), gefolgt von den mittleren (Einserbohne, verschiedene Kipflerbohnen,…) bis zu den späten Sorten (Einbohne, Lila, Pragerhof,…). Gleichzeitig gab es schon wertvolle junge Bohnenkörner zu ernten für Suppen und Salate (Wachtelbohne, Maria Leitner, Schöne von Frau Weitzl und etliche andere). Prächtig waren die 20 cm langen Schoten der „Kroatischen Riesen“ oder die überbreiten der Sorte „Kroatische Breiteste von allen“, reich tragend die „Schwarze Kroatische“. (Alle drei stammen ja tatsächlich aus Kroatien, wo ich vor vielen Jahren von Bäuerinnen einige Körner erhalten habe.)
Große Freude brachte der neue Folientunnel (Architekt und Erbauer: Franz Schuiki, siehe auch: Der Rajock-Hof, Bericht im letzten Heft), in dem in dickem Heumulch Stabtomaten wuchsen. Erstaunlich groß war die vielfältige Ernte, konnten die Jungpflanzen aus unabänderlichen Gründen doch erst am 4. Juli gesetzt werden. Bis dahin hatten sie zwei bis fast drei Monate lang in kleinen Töpfen ausharren müssen… Während die anspruchsvolleren, großfrüchtigen Sorten diese Hungerkur doch nicht so leicht weggesteckt haben, haben die Robusteren zügig zu wachsen begonnen und erst im Oktober damit aufgehört, Früchte auszubilden. Danach lagen viele Früchte zum Nachreifen in der warmen Küche, bis sie sich von grün auf rot oder gelb umfärbten und damit genießbar wurden – wenn sie auch nicht mehr so prächtig schmeckten wie die Sonnengereiften.
Als Schutz vor dem Angriff des Krautfäule-Pilzes bekamen die Tomatenpflanzen im Sommer mehrere Güsse mit verdünnter Knoblauchbrühe, die wir aus den vorjährigen Knoblauch-Überschüssen zubereitet hatten. Die meisten Pflanzen haben die Hochsaison der Krautfäule zwar beschädigt aber doch überlebt und begannen wieder auszutreiben und zu blühen.
Die Samenernte der über 80 angebauten Sorten hat uns zwei Gärtnerinnen wochenlang beschäftigt, doch bis zum Jahresende waren alle Sorten gereinigt, getrocknet, abgefüllt und beschriftet im kühlen Keller unter Dach und Fach und warten auf ihr neues Leben in einem anderen guten Garten.
Kontakt:
Garten der Vielfalt, Herbersdorf 17, A 8510 Stainz, Pflanzenfotos und Samen-Pflanzenliste für den Versand oder Abholung: www.therapiegarten.at
Öffnungszeiten und Tage der offenen Gartentür: 1. März bis 31. Oktober Mi, Fr, Sa 9-15 Uhr und gerne nach tel. Vereinbarung 0043 3463 4384